Wo kommt bloß meine Wut her?


„Noch ein weiteres Wort, und ich wär dem an die Wäsche gegangen. Ich hätt den glatt umgehauen, so wütend war ich. Ich habe mich selbst nicht mehr gekannt. Dabei bin ich doch eigentlich eine ruhige, geduldige Frau. Was ist nur mit mir los?“
Von 0 auf 180 in 1,2 Sekunden. Davon träumt jeder Formel-Eins-Fahrer…
Kennen Sie das? Da gerät man in eine Diskussion, eigentlich geht es „um nichts“, und plötzlich ist diese Wut da. Dieser Zorn, tief im Bauch, der irgendwo raus muss. Woran liegt das? Die Ursachen dafür sind nicht mit einem Satz aufzuzählen. Da ist zunächst einmal der Adrenalinspiegel, der vor allem bei Hitzewallungen ansteigt. Das hat zur Folge, dass wir neben einem erhöhten Puls auch Ärger empfinden. Und sei es der Ärger darauf, dass nun schon wieder innerhalb Sekundenbruchteilen die Raumtemperatur in astronomische Höhen geklettert ist.  Werden wir immer wieder mit Adrenalin überschwemmt, neigen wir verständlicherweise dazu, ungeduldiger auf unsere Umwelt zu reagieren.
Wo kommt bloß meine Wut her?
Bei vielen Frauen herrscht gerade zu Beginn der Wechseljahre ein Östrogenüberschuss, das Progesteron aus der zweiten Zyklushälfte ist jedoch stark vermindert. Und das Progesteron ist es, was uns geduldig und  ausgeglichen macht. Das Adrenalin und das Östrogen sind aber nicht der einzige Grund, da gibt es noch einiges, und es ist ein Wunder, dass angesichts der gut 8 Millionen Frauen, die kurz vor oder in den Wechseljahren stehen, nicht bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen.
Wir leben hier in Deutschland in einer Gesellschaft, in der das Älterwerden etwas Negatives ist. Gerade wir Frauen sollen schön, straff, gesund und leistungsfähig sein. Dabei sind aber gerade die Wechseljahre ein unübersehbares Signal dafür, dass es mit der Jugend nun endgültig vorbei ist.  Dies zu akzeptieren fällt den wenigsten von uns leicht. Es gibt Kulturen, da hat die Frau nach den Wechseljahren eine echte Perspektive. So werden in vielen naturverbundenen Kulturen die Frauen erst nach Versiegen der Blutung, wodurch sie einen Zustand der Reinheit erreicht haben, als Schamaninnen zugelassen. Sie haben dann die nötige Reife und Kraft sich größeren Anforderungen zustellen. In diesen Kulturen gibt es oft nicht einmal ein Wort für die gängigsten Wechseljahresbeschwerden wie z.B. Hitzewallungen, die Frauen leiden viel weniger unter ihren Wechseljahren. Und der wechseljahresbedingte Zorn ist in diesen Gesellschaften ebenfalls kein Thema.
Von manchen Frauen, auch in unserer Kultur, höre ich immer wieder: „Für Wechseljahre hatte ich keine Zeit, bei mir hat irgendwann die Blutung aufgehört und es war gut“.  Was haben die, was wir anderen nicht haben? Bemerkenswert ist für mich: Die Menopause markiert bei diesen Frauen nicht das Ende von etwas und den Beginn von etwas anderem, sondern die Übergänge sind fließend, der körperliche Wechsel  findet nebenher statt, ohne dass sich das Umfeld entscheidend verändert. Ok, das ist ganz klar die Minderheit der Frauen, Erhebungen sagen dass es etwa 30% sind, die ohne Probleme durch die Wechseljahre kommen, was ist mit den anderen?
Da werden die Kinder flügge und die bisherige Lebensaufgabe entfällt. Es ist an der Zeit, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Aber was tun? Auf einmal ist da viel Zeit, wo vorher Hektik und Hetze waren, es ist eine Menge Kraft „über“. Was tun damit? Diese Kraft ist es, die sich bisweilen in Wut und Ärger bemerkbar macht. Was fehlt, ist ein Plan.

Halten Sie inne, ziehen Sie Bilanz.

Was wollten Sie werden, als Sie ein Mädchen waren? Lange vor dem Wunsch Hausfrau und Mutter zu werden? Wie war das? Können Sie davon etwas realisieren? Was haben Sie gern in ihrer Freizeit gemacht, als sie das letzte Mal welche hatten? Bauen Sie das aus! Da hinein können Sie Ihre Kraft und Energie investieren, dann werden auch die Wutattacken weniger.
Sie sind berufstätig und Kindererziehung ist kein Thema (mehr)? Ok, wie sieht es bei ihnen aus? Können Sie im Job das machen was Ihnen Spaß macht, können Sie sich liebend gern vorstellen noch locker 20 Jahre diesen Job zu machen oder fühlen Sie sich durch übergeordnete Entscheidungen manchmal wie ein „Blatt im Wind“? Auch Hilflosigkeit und Frust äußern sich oft in Wut und Zorn. Nicht immer da wo sie verursacht werden, sondern eher da, wo das Wassertröpfchen das Fass zum Überlaufen bringt.
Allen Hamsterinnen im Laufrad sei ans Herz gelegt, dass es nie zu spät ist für den ersten Schritt. Um den Kopf frei zu bekommen für eine klare Situationsanalyse ist es oft erforderlich, einige Schritte zu gehen:
 
–       Nehmen Sie sich Zeit für sich. Hier helfen oft feste Termine mit sich selbst.
–       Ein gutes Entspannungsprogramm kann Wunder wirken.
–       Suchen Sie sich kompetente Gesprächspartner, denn von „außen“ betrachtet ist eine Situation oft nicht so verfahren wie sie von „innen“ zu sein scheint
–       kommen Sie aus Ihrem Schneckenhaus heraus, werden Sie aktiv. Sie sind innerhalb von 8 Millionen Frauen wahrlich nicht allein, reden Sie darüber!
 
Die Wechseljahre bieten uns Chancen und Möglichkeiten, nach einer Inventur und dem Herausfinden der Sehnsüchte und Wünsche die Weichen zu stellen für neue Aufgaben, neue Kreativität. Dabei ist es egal, ob Sie Sport treiben, sich für einen neuen Beruf entscheiden, Ihre bisherige Tätigkeit ausbauen, sich künstlerisch betätigen oder sich sozial engagieren. Was immer Sie beginnen, es ist eine gute Möglichkeit, Ihre Kräfte dort zu investieren. So können Sie die Power, die Sie ohne Zweifel besitzen und die sich in Wutanfällen äußert, nutzen und zu neuer Lebensfreude verwandeln.