Der gegenwärtige Diskussionsstand zur CO2-Speicherung unter Tage ist noch so unübersichtlich, dass sich niemand ein abschließendes Urteil erlauben kann. Die wichtigsten Argumente werden hier vorgestellt.
Vor einigen Tagen hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace einen geheimen Katalog der Bundesregierung veröffentlicht, in welchem mögliche Endlager für Kohlendioxid unter der Erde genannt werden. Grund genug für den Energieblog, sich dieses Themas einmal anzunehmen.
CO2 Speicherung unter Tage
Insgesamt gibt es über 400 mögliche Orte, die allermeisten davon in Norddeutschland sowie im südlichen Bayern. Von der Veröffentlichung versprach sich Greenpeace, übrigens erklärte Gegnerin der CCS-Technologie, einen Aufschrei der betroffenen Regionen. Doch offenbar war dieser Versuch ein Griff in die Sanitärkeramik: Bei über 400 möglichen Orten für die Endlagerung ist die Wahrscheinlichkeit, dass es einen bestimmten Ort trifft, so gering, dass sogar die üblichen Verdächtigen nicht mobilisiert werden konnten. Und das trotz des höchst negativ besetzen Wortes ENDLAGER.
Die CCS-Technologie freilich wird von der Bundesregierung unterstützt. Erst 2009 hat sie versucht, eine Regelung der EU in nationales Recht umzusetzen, und diese entschieden CCS-freundlich ausgestaltet. Letztendlich scheiterte das Gesetz jedoch am Widerstand Schleswig-Holsteins. Auch in Brandenburg gibt es eine Bürgerinitiative gegen ein Pilotprojekt des Energieriesen Vattenfall.
Die Bundesrepublik möchte bis 2050 den Verbrauch an fossilen Energieträgern auf null senken. Deshalb sei es laut Regierung nicht zielführend, sich einer einzelnen Technologie von vorn herein grundsätzlich zu verschließen. Dies ist zutreffend, jedoch gibt es bei der Technologie nach wie vor viele ungelöste Probleme:
Der Wirkungsgrad der mit CCS-Technologie ausgestatteten Kraftwerke wäre nach dem derzeitigen Stand der Technik um ungefähr 15 Prozent geringer. Denn die Abscheidung und unterirdische Verpressung benötigt viel Energie. Diese 15 Prozent entsprechen dem gesamten Fortschritt der Effizienz von Kraftwerken, der zwischen 1930 und 1990 erzielt worden ist. Dementsprechend höher wäre der Verbrauch an Kohle und anderen fossilen Energieträgern, würde die CCS flächendeckend eingeführt. Bei ohnehin drohendem Energiemangel und steigendem Preis in der näheren Zukunft scheint die Wirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen sehr fraglich: Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der CCS könnten unter Umständen sehr viel höher sein, als alternative Methoden der CO2-Vermeidung wie Effizienzsteigerung oder Investitionen in erneuerbare Energien.
Andererseits könnte ein hoher Kohlepreis die Zuwächse an Energieverbrauch in den Entwicklungsländern langfristig bremsen. Das liefe darauf hinaus, dass in den entwickelten Ländern der Verbrauch von fossilen Brennstoffen, und damit der Preis derselben, dank CCS künstlich hoch gehalten würde, was die Entwicklungsländer zwänge, sparsamer mit der Ressource Kohle umzugehen. Insofern könnte die CCS durch ein „Spiel über Bande“ tatsächlich den Ausstoß senken und eine Effizienzrevolution auslösen. Dies ist jedoch reine Spekulation, und dient hier nur dazu, die Komplexität der weltweiten Zusammenhänge zu verdeutlichen.
Ein deutlicher Nachteil der CCS-Technologie ist, dass Sie die bestehenden zentralistischen Strukturen der Energiewirtschaft in Deutschland weiter zementieren würde: Die CCS lohnt sich nur bei der Installation aufwendiger Anlagen an großen Kohle- bzw. Gaskraftwerken. Eine intelligente, dezentrale Versorgung der Wirtschaft über erneuerbare Energien steht dazu in deutlicher Konkurrenz. Es besteht also die Gefahr, dass Investitionen in CCS mit den Investitionen in erneuerbare Energien konkurrieren und somit nicht nur die zentralen Strukturen der Energiewirtschaft, sondern auch das Quasi-Monopol der großen Energiekonzerne auf lange Zeit festigen.
Abgesehen von den fragwürdigen Implikationen von CCS auf die Struktur der deutschen Energieversorgung bestehen auch noch große Unsicherheiten umweltpolitischer Natur. Die Sicherheit der eingebrachten Gasvolumina in den dafür vorgesehenen geologischen Formationen ist noch nicht gewährleistet. Es besteht die Gefahr, dass Kohlendioxid ins Grundwasser übergeht, und dieses versauern lässt, bzw. über den Umweg des geförderten Grundwassers wieder „ausgast“. Damit wäre der Klimaschutzeffekt zunichte gemacht. Auch könnten die CO2-Lagerstätten wahrscheinlich nicht für Geothermie-Projekte genutzt werden. Geothermie ist die Gewinnung von Wärme und damit Energie und Strom aus den heißeren tiefen Schichten der Erde über einen Sekundärkreislauf mit einem Trägermedium, in den meisten Fällen Wasser. Würden die Gesteinsformationen mit Kohlendioxid gefüllt, wären Sie nicht mehr nutzbar. Damit wäre der Umstellung auf erneuerbare Energien, zu denen die Geothermie gehört, eine potentiell große Energiequelle verschlossen.
Um ein abschließendes Urteil über CSS zu fällen, ist es jedoch auf jeden Fall zu früh. Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen und Experten der forschenden Institutionen rechnen nicht vor 2025 mit einem industriellen Einsatz. Bis dahin können noch viele Fortschritte sowohl im Wissen über geochemische Prozesse oder auf verfahrenstechnischem Gebiet sämtliche heutigen Berechnungen falsch werden lassen.
In China geht momentan im Schnitt jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz. Sollte es gelingen, diese mit einem Aufpreis zu CCS-fähigen Kraftwerken aufzurüsten, könnte dem Weltklima u.U. ein großer Dienst erwiesen werden. Wenn auch nur im Sinne von „Schlimmeres verhindern“. Deswegen lohnt es sich durchaus, auf dem Gebiet weiter zu forschen. Es darf jedoch nicht dazu führen, dass unsere Anstrengungen auf dem Gebiet der Umstellung zu erneuerbaren Energien leiden. Denn diese sind nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen geboten, wie in einem früheren Blogbeitrag eingehend ausgeführt wird: Voraussichtlich stark steigende Preise infolge des „Peak Oil“ machen einen Schwenk zu erneuerbaren Energien zwingend notwendig.