Achtung anschnallen, die Strompreisbremse kommt


Am gestrigen Donnerstag sollte sie nun her, die Lösung, die den stetig steigenden Strompreis etwas bremsen soll. Bund und Länder kamen zusammen, um über die von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vorgeschlagenen Maßnahmen zu diskutieren. Noch nie ist der Strompreis so stark gestiegen wie im Zuge der Energiewende. Alleine die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) erhöhte sich von 2012 auf 2013 um 47 Prozent. Experten erwarten einen weiteren starken Anstieg. Das kann so nicht weitergehen, das sehen sogar Politiker parteienübergreifend so. Doch wie der Strompreis zu bremsen oder gar zu senken ist, hierüber besteht bisher keinerlei Konsens.
Achtung anschnallen, die Strompreisbremse kommt

Altmaiers Strompreisbremse

Altmaiers Wunderwaffe heißt „Strompreisbremse“ – Ende Januar 2013 stellte er sein Konzept vor. Wirtschaftsminister Rösler war zunächst wenig begeistert vom Lösungsvorschlag seines Amtskollegen. Einige Wochen lieferten sich die beiden Koalitionspartner heftige Diskussion bis sie sich nun auf einvernehmliche Maßnahmen der sogenannten Strompreisbremse geeinigt haben. Doch auch der von der SPD dominierte Bundesrat müsste den konkreten Schritten zustimmen. Eben diese wurden nun auf dem gestrigen Energiegipfel mit den Ministern der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diskutiert. Das Ergebnis: ernüchternd.Spiegel online kommentiert das so:  „Alles in allem eher ein kleiner als ein großer Wurf“.

Strompreisbremse kompakt: Welche Maßnahmen werden diskutiert?

Grundsätzlich soll der weitere Anstieg der Strompreise eingegrenzt werden. Wie soll das gehen? Nach Meinung der beiden Bundesminister sollen Zahlungen für die Ökostrom-Produktion künftig verringert werden, sowohl für Neuanlagen als auch für die bestehende Stromproduktion. Die direkte Vermarktung von Ökostrom soll so gefördert, teilweise sogar zur Bedingung gemacht werden. Vergünstigungen für die Industrie sollen teilweise eingeschränkt werden, etwa bei der Ökostrom-Umlage. Ab 2014 soll so der weitere Anstieg des Strompreises abgemildert werden.
Am gestrigen Donnerstag wurde nun viel gesprochen aber wenig geklärt: Zwar sind sich parteiübergreifend alle einig, dass der Strompreisanstieg gebremst werden muss, nur wie ist noch unklar. Konsens gibt es lediglich beim Bestandsschutz für Ökostrom-Anlagen und beim weiteren Ausbau der Stromnetze.

Konkret heißt das:

Forderung 1 von Altmaier und Rösler: Weniger Geld für bestehende Ökostrom-Anlagen. Bisher galt bei Betrieb einer Wind- oder Solaranlage eine garantierte Einspeisevergütung, die auf 20 Jahre festgeschrieben war. Altmaier und Rösler wollen diesen garantierten Betrag reduzieren. Die 2008 eingeführte rückwirkende Förderung von Biogas-Anlagen soll ab 01. August 2013 sogar komplett gestrichen werden.
Kritik hierzu kommt von Seiten der Grünen. Die Ökostrom-Produzenten würden so sehr stark belastet. Der Ökostromausbau würde ausgebremst, das sieht auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt so. Er kritisiert insbesondere die Absicht, den Betreibern von Wind- und Solaranlagen die zugesagten Vergütungssätze einfach zu kürzen: „Der Vertrauensschutz von Investoren muss Vorrang haben“, so der bayerische Politiker. Die Kürzungen würden auch private Betreiber von Solaranlagen betreffen.

  • Die Länder lehnten diese nachträglichen Kürzungen der Subvention bei der Ökostromförderung ab, die Regierung hat daher offenbar von diesem Vorschlag Abstand genommen.

Forderung 2 von Altmaier und Rösler: Weniger Geld für neue Ökostrom-Anlagen. Wer künftig Ökostrom mit Wind, Sonne oder Biomasse produziert, wird einen geringeren Einspeisesatz dafür erhalten als dies bisher der Fall war. Ab dem 1. August 2013 soll die Einspeisevergütung sowieso nur noch für neu in Betrieb gehende Anlagen gelten, die weniger als 150 Kilowatt Leistung bringen.

  • Bisher keine Einigung zwischen Bund und Ländern.

Forderung 3 von Altmaier und Rösler: Ökostrom aus Großanlagen wie großflächigen Windparks oder Photovoltaikanlagen soll dann direkt an Kunden vermarktet werden, zum Beispiel über die Strombörse. Anlagen ab 150 Kilowatt Leistung würden dann gar keine Einspeisevergütung mehr bekommen.

  • Bisher keine Einigung zwischen Bund und Ländern.

Forderung 4 von Altmaier und Rösler: Aufgrund des noch nicht optimalen Netzausbaus kommt es immer wieder zu Einspeise-Engpässen. Das heißt, es wird mehr Ökostrom produziert als in das Stromnetz eingespeist werden kann. Bisher gab es für Produzenten von Sonnen- oder Windstrom für solche Ausfälle eine Vergütung von bis zu 95 Prozent. Dieser Satz soll erheblich gekürzt werden.

  • Zur Ausfallvergütung gibt es bisher ebenfalls keine Einigung, jedoch verständigten sich Bund und Länder darauf, den Netzausbau zu forcieren. Insgesamt soll die Bauzeit für große Stromtrassen von bisher zehn auf vier Jahre verkürzt werden. Ein neues Ausbaugesetz soll noch vor der Sommerpause von den Regierungschefs unterstützt werden.

Forderung 5 von Altmaier und Rösler: Auch die stromintensive Industrie, die wegen der Entlastungen immer wieder in der Kritik steht, soll laut Altmaier und Rösler ab 1. August 2013 weniger bevorteilt werden. Insbesondere Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, sollen kein Recht mehr auf eine Befreiung der Ökostrom-Umlage habe. Bisher ist es Unternehmen mit hohem Stromverbrauch möglich, ihre Beteiligung an der EEG-Umlage um bis zu 99 Prozent zu reduzieren. Betroffen davon wären insbesondere zahlreiche Schienenbahnen, u.a. die Deutsche Bahn und deren Tochtergesellschaften, aber auch die Stadtwerke München oder die DSW21 aus Dortmund. Auch für den Bergbau sind diese Vergünstigungen fraglich, bisher profitiert der Tagebau der Vattenfall Europe Mining sowie der RAG von Vergünstigungen in diesem Bereich.
Kritik hierzu äußert der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Dieter Hundt. Er warnt vor „teuren Wahlgeschenken zu Lasten der Wirtschaft“. Durch den Wegfall von Vergünstigungen könnte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen deutlich leiden. Würden die Vergünstigungen bei der EEG-Umlage für Schienenbahnen wegfallen, wäre eine Konsequenz die drastische Preiserhöhung von Bahnfahrkarten. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rechnet bereits mit Ticketpreissteigerungen von bis zu 7 Prozent. Bislang genießen mehr als 50 Bahn-Unternehmen die Vergünstigungen bei der Ökostrom-Umlage, darunter Tochterunternehmen der Deutschen Bahn und zahlreiche Nahverkehrsunternehmen.

  • Die Debatte über Ausnahmeregelungen für energieintensive Branchen wurde ebenfalls vertagt.

Alle müssen sparen, nur der Staat kassiert ab

Tatsächlich leisten viele ihren Beitrag zur Energiewende, nur der Staat kassiert fröhlich weiter. Während die Stromkunden, Wirtschaft, Unternehmen und Ökostrom-Produzenten durch das Maßnahmenpaket allesamt belastet werden, bleibt der Steueranteil unverändert hoch. Kommunen und Gemeinden können Konzessionsabgaben für jede Kilowattstunde verlangen, zusätzlich fällt eine Stromsteuer von 2,05 Cent je Kilowattstunde an. Und auf alle Kosten noch einmal obendrauf kommt die reguläre Umsatzsteuer von 19 Prozent. Vor allem die SPD-geführten Bundesländer, aber auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), fordern daher eine Senkung der Stromsteuer.

  • Kanzlerin Merkel lehnte diese Forderung ab. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält außerdem nichts von einer Streichung der Mehrwertsteuer auf die Ökostrom-Umlage.

Strompreisbremse vorerst ausgebremst

 
Die Minister Altmaier und Rösler wollen rund 1,86 Milliarden Euro einsparen, hauptsächlich zulasten der Ökostrom-Produzenten und ohne einen direkt spürbaren Entlastungseffekt für die Verbraucher. Durch die im Text beschriebenen Maßnahmen soll nicht etwa eine Verringerung des Strompreises erfolgen, sondern nur dessen weiterer Anstieg gebremst werden. Insbesondere die Ökostrom-Umlage (auch EEG-Umlage genannt) soll sich nur noch kontrolliert entwickeln. Sie wird jedes Jahr, je nach Ökostrom-Aufkommen, festgelegt. 2013 ist sie  auf 5,28 Cent netto je Kilowattstunde angestiegen (zzgl. Umsatzsteuer). 2014 soll der Satz auf dem gleichen Niveau bleiben, ab 2015 dann um maximal 2,5 Prozent pro Jahr ansteigen dürfen.
Tatsächlich aber könnte jeder Stromkunde sofort entlastet werden. Die folgende Aufstellung zeigt mögliche Einsparpotentiale: Allein die Stromsteuer von 2,05 Cent für jede verbrauchte Kilowattstunde bringt den staatlichen Kassen mehr als 3 Milliarden Euro im Jahr. Die Konzessionsabgabe kostet den Verbraucher noch einmal rund 2 Milliarden Euro jährlich. Die Berechnung erfolgt durch den örtlichen Netzbetreiber an den jeweiligen Stromlieferant und wird von diesem an den Endkunden weitergegeben. Für Umsatzsteuer kommen noch einmal mehrere Milliarden Euro hinzu.
Doch auf dem gestrigen Energiegipfel kam es zu keinen konstruktiven Ansätzen zur Begrenzung des Strompreises und schon gar nicht zu einer grundlegenden Reform der Ökostromförderung. Bundeskanzlerin Merkel kündigte an, dass diese erst nach der Bundestagswahl im Herbst zu erwarten sei. Im Mai soll jedenfalls weiter diskutiert werden.